Hartmann & Braun in der Nachkriegszeit
Während des Zweiten Weltkrieges war Hartmann & Braun ein kriegswichtiger Betrieb.
1941/42 entstand ein neues Werk in Praunheim für 1.000 Mitarbeiter.
In diesem Werk waren von Anfang 1943 bis März 1945 etwa 340 Frauen, vorwiegend aus der Ukraine,
aus Russland und Weißrussland, als Zwangsarbeiterinnen eingesetzt.
Das Stammwerk von Hartmann & Braun zwischen Gräfstraße, Falkstraße und Leipziger Straße
in Bockenheim wurde bei einem Luftangriff am 8. Februar 1944 weitgehend zerstört,
wobei 165 Mitarbeiter trotz Luftschutzeinrichtungen
ums Leben kamen. Das Bombengeschwader der US Air Force verwechselte das Stammwerk mit dem Teves-Werk im Gallusviertel
welches an diesem Tag als eines von mehreren Angriffszielen vorgesehen war.
Was verschont geblieben war haben einige Wochen später Brandbomben zum größten
Teil endgültig vernichtet. So waren in den darauffolgenden Tagen die
meisten Werkstätten aus Frankfurt heraus verlagert worden, und bei
Kriegsende arbeitete nur noch ein geringer Prozentsatz der über 5000
Mitarbeiter in den beiden Frankfurter Werken, in dem unzerstörten
neuen Werk im Vorort Praunheim und in den Trümmern an der Bockenheimer
Warte. Dafür gab es Hartmann & Braun-Arbeitsstätten tief
in der Erde in Sektkellereien am Rhein, im südlichsten Schwarzwald,
in der nordöstlichen Ecke von Bayern, in Oberhessen und an fast zwei
Dutzend Plätzen in der weiteren Umgebung von Frankfurt am Main.
Als die amerikanischen Truppen immer näher nach Franfurt vorrückten erfolgte
eine "Rückverlegungen aus
westdeutschen Verlagerungsstätten".
Als nach dem Zusammenbruch durch das "Permit Nr. 8" die Arbeitserlaubnis
der Militärregierung erkämpft worden war erhielt die Firma im Juni 1947 eine
Produktionsgenehmigung Nr. 25 / 3213 des Landeswirtschaftamtes
Hessen. Nun galt es, zunächst einmal zu sammeln was übriggeblieben war und nach
Frankfurt am Main zurückzuführen.
Das Praunheimer Werk war fast ohne Schaden geblieben und wurde wohl
infolge dieser Tatsache gleich in den ersten Tagen der Besetzung von den
Amerikanern beschlagnahmt, so daß es daher für die notwendigen
Entscheidungen vorerst nicht in Betracht kam. Das Stammwerk aber war in
einem Ausmaß verwüstet, daß es wohl noch kurze Zeit vorher
niemand für möglich gehalten hätte, hier Meßinstrumente
zu bauen. Noch wußte man ja auch nicht, in welchem Umfang überhaupt
die Erzeugnisse der Firma wieder benötigt würden, denn der Export,
der schon vor dem Kriege namhafte Teile der Hartmann & Braun-Produktion
in fast alle Länder der Welt gebracht hatte, lag noch in ferner Zukunft.
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H&B Neubau Ende 1954 in der Gräfstraße [Die Skala 8/54]
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Der Rest des Jahres 1945 und große Teile von 1946 zeigten bei Hartmann
& Braun das gleiche Bild, wie es damals überall in Deutschland
zu sehen war: Es wurde aufgeräumt. Man versuchte, der unvorstellbaren
Mengen von Schutt und Dreck Herr zu werden. Mit primitivsten Mitteln wurden
die ersten Arbeitsräume wieder eingerichtet, Maschinen und Werkzeuge
wurden repariert und überholt, so gut es eben ging.
Wo früher einmal eine beinahe aseptische Sauberkeit verlangt wurde,
standen im Winter rauchende Öfen, in denen "kompensierte"
Kohle und Reste von angekohlten Dachsparren mehr Ruß und Rauch als
Wärme spendeten. Mit weniger als einem Zehntel der letzten Kriegsbelegschaft
war aber ein Anfang gemacht, und die ersten Nachkriegs-Meßinstrumente
wurden mittels Holzgaslastwagen zur Kundschaft gebracht. Überraschend
bald stellte sich heraus, welch unentbehrlicher Helfer für Technik
und Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten das Meßinstrument geworden
war. Gewiß, in den folgenden Jahren bis zur Währungsreform gingen
viele Aufträge bei Hartmann & Braun ein, bei denen keine echte
technische Notwendigkeit, sondern ausschließlich die beabsichtigte
Flucht in die Sachwerte, Anlaß zum Bestellbrief waren, und die natürlich
auch fast nie ausgeliefert wurden. Aber der wirklich echte Bedarf war weit
größer als erwartet, schon weil ja auch bei den Inlands-Kunden
unendlich viel zerstört war, und gerade weil die gesamte deutsche
Wirtschaft sparsam haushalten und trotzdem den Versuch machen mußte,
durch Qualität den verlorenen Anschluß an den Weltmarkt wieder
zu gewinnen.
Als die Währungsumstellung die Grundlage schuf, auf der sich Deutschland
wieder am Welthandel beteiligen konnte, waren bei Hartmann & Braun
sehr rasch auch die Fäden zu den alten Geschäftsfreunden außerhalb
Deutschlands wieder angeknüpft. Ein von Jahr zu Jahr steigendes Exportvolumen
zeigt, in welchem Umfang die Erzeugnisse des Hauses wieder in die Welt
hinausgingen. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, daß sie lediglich
den direkten Export darstellen. Ungefähr den gleichen Wert hatten
jedoch die indirekten Auslandslieferungen von Hartmann & Braun, bei
denen die Erzeugnisse von deutschen Kesselfirmen, Ofenbauanstalten, Ingenieurunternehmungen
(wie z.B. LURGI), in kompletten Anlagen exportiert werden. Im Durchschnitt
gingen 40 bis 45% der Erzeugnisse von Hartmann & Braun ins Ausland.
Um den Export noch weiter zu fördern, beteiligte sich das Frankfurter
Haus auch an einigen Unternehmungen im Ausland. So begann noch im Jahre
1945 ein Erfahrungsaustausch und eine immer enger werdende Zusammenarbeit
mit der Camille Bauer Meßgeräte AG in Wohlen/Schweiz, die dem
Generalvertreter von Hartmann & Braun in der Schweiz gehört; das
führte schließlich im Jahre 1956 auch zu einer kapitalmäßigen
Beteiligung. Im gleichen Jahre wurde in São Paulo/Brasilien die
Hartmann & Braun/Bender Ltda. gegründet, und im Jahre darauf in
Madrid die Hartmann & Braun Española. Beide Firmen stellten
nach Lizenzen und Konstruktionen des Frankfurter Stammhauses diejenigen
Geräte im Lande her, für welche damals Importlizenzen nicht zu
erhalten waren. Die Firma Hartmann & Braun war 1958 in 47 Ländern
der Welt vertreten und konnte auch in Übersee z.T. Großanlagen
in Konkurrenz gegen die Industrie der ganzen Welt erstellen.
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Blick in die H&B Eichstätte für Registrierinstrumente
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1949 wurde die Fertigung und später auch der Vertrieb von Schalttafelgeräten
- eine Geschäftssparte, in der die in- und ausländische Konkurrenz
besonders scharf ist - organisatorisch und räumlich ausgegliedert
und einer Tochtergesellschaft, der ELIMA GmbH, übertragen,
für welche Fabrikationsräume in Münster bei Dieburg eingerichtet
wurden. Diese Maßnahme hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen,
denn der Betrieb mußte räumlich dreimal stark erweitert werden.
ELIMA beschäftigte 1958 über 430 Mitarbeiter.
Schon kurze Zeit später beteiligte sich Hartmann & Braun an einem
jungen, sehr erfolgreich aufstrebenden Unternehmen in Minden/Westfalen, der
Schoppe & Faeser GmbH, deren Gesellschaftskapital zu 50% von
Hartmann & Braun übernommen wurde. Schoppe & Faeser stellen
Regelgeräte, Zahnradprüfgeräte, Induktionshärtemaschinen
und Großrechenanlagen her, so daß deren Fabrikationsprogramm
eine gute Ergänzung zu demjenigen von Hartmann & Braun darstellt.
In einem modernen Fabrikneubau in Minden wurden 1958 über 6oo Mitarbeiter
beschäftigt. Im Jahre 1953 übernahmen Hartmann & Braun das
gesamte Gesellschaftskapital der kleinen, aber sehr gut renommierten Braunschweiger
Feinmechanikerfirma
Günther & Tegetmeyer GmbH, deren Aufgabengebiet teilweise
weitergeführt, teilweise durch den Vertrieb spezieller Meß-
und Zählgeräte erweitert wurde.
Inzwischen war der Wiederaufbau und Ausbau Stammwerks in Frankfurt planmäßig
weitergeführt worden. Die Werkstätten waren Ende 1954 modernisiert und
vergrößert aber genügten
dennoch dem wachsenden Raumbedarf des Betriebes nicht. Aus der noch immer
unbefriedigenden Raum-Situation heraus - das Werk mit 24.000 Qudratmetern liegt im alten Stadtteil
Bockenheim und ist von allen Seiten eingekeilt, daß jede großzügige
Planung hinsichtlich einer Erweiterung unmöglich ist - wurde
zäh und verbissen um die Freigabe des Praunheimer Werkes gekämpft,
die endlich 1955 in Aussicht stand und Anfang 1956 Tatsache wurde. Zwar
war von den Gebäuden nach zehnjähriger Benutzung durch die Besatzungsmacht
nicht viel mehr übriggeblieben als ein Rohbau, aber einmal ging dessen
Herrichtung naturgemäß schneller vonstatten als ein völliger
Neubau - vor allem aber stand in Praunheim genügend Grundfläche
zur Verfügung, um auf Jahrzehnte den Erweiterungsbedarf des Werkes
sicherzustellen.
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Mechaniker bei H&B 1958 (Foto:Schmitz-Sieg)
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Eine besondere Erwähnung verdient noch der Braunschweiger Zweigbetrieb
von Hartmann & Braun, der gleichfalls im Jahre 1956 endlich in ein
eigenes Heim für etwa 200 Mitarbeitern einziehen konnte. Auf Betreiben
damaliger Rüstungsdienststellen im Jahre 1935 eingerichtet, war er
21 Jahre lang in einem großen Fabrikgebäude pachtweise untergebracht.
Als es 1956 gekündigt wurde, verkleinerte zufällig ein in unmittelbarer
Nähe liegender Betrieb der Blechwaren-Industrie seine Fertigung so
erheblich, daß Hartmann & Braun das ganze, für ihre Zwecke
sehr geeignete Anwesen erwerben konnten.
Auch bei der baulichen Neugestaltung des Werkes hatte die Technik insofern
den Vorrang, als zunächst einmal die Werkstätten wieder mustergültig
werden mußten. Erst in den Jahren 1953 bis 1955 wurde auch ein modernes
Bürohaus errichtet, das an die Stelle der im Kriege zerstörten,
unschönen und unzweckmäßigen Gebäude an der Gräfstrasse
trat. Seine Einweihung erlebte der langjährige Vorsitzende des Vorstands,
Dr. jur. Waldemar Braun, nicht mehr. Er verstarb im Sommer 1954. An seine Stelle
trat sein Enkel Wilfried Braun, der nunmehr in der dritten Generation die
Gründerfamilien im Hause als Vorsitzender des Vorstands vertrat.
Das Aktienkapital, das sich vor dem 2.Weltkrieg zum überwiegenden Teil
im Besitz der Gründerfamilien befand, betrug 3,6 Millionen RM. Es
wurde 1949 1:1 auf DM umgestellt und im Jahre 1955 auf 6,7 Millionen DM
durch Ausgabe von Vorzugsaktien ohne Stimmrecht
erhöht. Die Firma konnte nach langen - infolge der Kriegsschäden
dividendenlosen Jahren - die erste Dividendenzahlung für das zweite
Halbjahr 1948 mit 3% ausschütten; für die Jahre 1952 bis 1955 wurden
8%, und erstmalig für das Jahr 1956 9% ausgeschüttet [F.Lerner,
Frankfurt am Main und seine Wirtschaft, Ammelburg-Verlag 1958].
Im April 1968 beteiligt sich AEG-Telefunken mit 34,6% an der Hartmann & Braun AG.
Zudem wird die schrittweise Übernahme der Mehrheit zum Preis von 300 DM / Aktie vereinbart.
51% der Aktien verblieben vorerst noch in der Hand der Gründerfamilien.
Es folgte eine schrittweise Erhöhung der Beteiligung - auf 43,07% 1976, 75% im Oktober
1978 und zuletzt auf 83,33% im Mai 1980 [http://www.gerdflaig.de/AEG_Geschichte/AEGalles.htm].
Mitte der 1970er Jahre verminderte sich der Abzatz im Ausland merklich.
Neben Einstellungsstop und Rationalisierungsmaßnahmen kam es auch zu Entlassungen wie es in der
Hinweis: Herausgeber dieser Zeitung war
nicht der H&B BetriebsratBetriebszeitung Nr.3 nachzulesen ist.
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